Wut

Von Elfriede Jelinek

Was ist der Mensch in Extremsituationen? Hamstert, plündert oder teilt
er? Denkt er zunächst an sich allein oder steckt mehr im Menschen, als
wir denken?
Krisen wie jetzt, ausgelöst durch den Corona-Virus, sind
der Crash-Test. Der niederländische Historiker Rutger Bregman zum
Beispiel ist ein Philanthrop. Er ist überzeugt, der Mensch sei im Grunde
gut, solidarisch und kooperativ und dafür findet er viele Belege. Dass
lässt hoffen! Auch der amerikanische Kulturphilosoph und Vordenker der
Occupy-Bewegung Charles Eisenstein hofft angesichts der Corona-Krise,
dass wir »die Regenten dessen werden, was uns regiert hat«. 

Elfriede Jelinek ist da allerdings bis dato weniger zuversichtlich.Inspiriert
vom antiken Mythos der Göttin Hera, die den Helden Herakles blind vor
Zorn machte, sodass er im Rausch seine Kinder tötete, blickt die
österreichische Literaturnobelpreisträgerin weder optimistisch in die
Zukunft noch in die Vergangenheit. In wechselnden Perspektiven erzählt
sie von der Wut islamistischer Terroristen, von Anschlägen auf die
Pariser Zeitungsredaktion und den jüdischen Supermarkt, wie von
deutschen Wutbürgern, von zornigen Göttern, Vätern und Söhnen. Doch in
einem sind sie sich alle einig, Bregman, Eisenstein, Jelinek, wir haben
es in der Hand, was aus uns wird.

Inszenierung. Ersan Mondtag